Das Abenteuer nimmt auch nach der Grenze kein Ende. Die katastrophalen Strassenverhältnissen machten uns das Leben schwer. Auf dem Weg in den Taï Nationalpark blieb ich das erste Mal im Schlamm stecken. Mit der Hilfe von Einheimischen schafften wir es zum Glück innerhalb weniger Stunden aus unserer misslichen Lage. Diese Nervenprobe zahlte sich aber aus und wir konnten im Regenwald aus nächster Nähe Schimpansen beobachten. Die gleiche Strecke zurück und danach in die ivorische Hauptstadt. Dort stolperten wir über die grösste und bizarrste Kirche der Welt. Auch nach fast 5 Monaten auf Achse birgt noch immer jeder Tag eine neue Überraschung.
Links oder Rechts?
Nach unseren Strapazen in Liberia und der Grenze konnten wir uns endlich wieder ein bisschen entspannen. Die Lebensmittelsituation hatte sich innerhalb weniger Kilometer stark verbessert. Fisch- und Pouletgrillade am Strassenrand, schmackhaftes Bier und kein Reis versüssten uns den Alltag. Als Gruppe planten wir in den Taï-Nationalpark zu reisen und dort (wiedereinmal) wilde Schimpansen zu beobachten. Wie alles in Afrika, ist auch eine Reise von A nach B nie langweilig und kurzerhand versieht man sich einem neuen Abenteuer: Die einzige Strasse, die zum Park führt, ist in der Trockenzeit schon für ihre Schwierigkeit bekannt. Und in der Regenzeit? Haarsträubend.
Die ersten Kilometer waren relativ leicht und ich war schon zuversichtlich, dass wir es ohne weitere Probleme schaffen würden. Auf einmal wurden die Abstände zwischen den Schlammpassagen immer kleiner und wir fanden wir uns in einer Schlammschlacht wieder. “Hey Jim, links oder rechts? Welche Spur soll ich nehmen?” fragte ich im Angesicht einer tiefen Schlammgrube. Schon rutschte ich mit den Hinterrädern in den Graben und bewegte mich nur noch seitwärts fort. Untersetzung, Differentialsperre eingeschaltet grub ich mich in die klebrige Masse, bis sich das Auto keinen Milimeter mehr bewegte. Ich wusste dass dieser Moment irgendwann kommen würde, aber trotzdem kommt man ins Schwitzen, wenn das Auto bis zur Beifahrertüre im Schlamm steckt. Die Nerven lagen blank.
Es dauert keine zwei Minuten waren wir umringt von helfenden Händen, die gruben, anstiessen und zogen. Sogar ein Toyota kam zur Hilfe. Wir schaufelten und schaufelten. Vorwärts, rückwärts, vorwärts, rückwärts. Der Toyota gab auf und zog von dannen. Mit 15 Mann schafften wir es nach 3h endlich aus dem Graben und konnten die nächsten Gruben in Angriff nehmen. Aber nicht lange – nur wenige Kilometer später steckten wir wieder fest. Dieses Mal versperrte uns ein Sattelschlepper den Weg, der wie wir vor einigen Stunden den Schlamm unterschätzte. Keine Chance für uns! Die Einheimischen versicherten uns, dass der Weg morgen wieder frei sein sollte. Somit schlugen wir unser Lager hinter einer nahegelegen Kirche auf und fielen erschöpft in einen tiefen Schlaf.
Erfüllter Kindheitstraum
Am nächsten Morgen war die Strasse wirklich frei und wir konnten ohne Probleme zum Parkeingang gelangen. Nach der üblichen Preisdiskussion schnürten wir auch schon unsere Stiefel und betraten den dichten Dschungel. Es war geplant bis zum Camp im Dschungel zu marschieren und am nächsten Morgen die Schimpansen aufzuspüren. Schweissgetränkt und mit sauren Beinen kamen wir im Camp an und obwohl wir aufgeregt waren, hatten wir mit Einschlafen keine Probleme. Ich konnte es kaum abwarten, da dieser Nationalpark die bisher besten Chancen bot, unsere haarigen Verwandten zu treffen.
Am sehr frühen Morgen ging es los. Querfeldein durch das dicke Grüne des Waldes kämpften wir uns Schritt um Schritt weiter in den Dschungel. Plötzlich machten wir ein schallendes Klopfen aus und wir sprinteten in Richtung der Quelle des Geräusches. Die Guides hatten sich in mehrere Gruppen aufgeteilt und verständigten sich untereinander in dem sie an Bäume klopften. Wir schwitzten uns schon wieder die Seele aus dem Leib. Doch auf einmal sahen wir die anderen Guides und folgten mit unseren Blicken ihren aufgeregten Gesten. Und da waren sie! Eine Gruppe von etwa 20 Schimpansen über uns in den Baumwipfeln, keine 25m entfernt! Endlich, unsere harte Arbeit wurde belohnt. Wir konnten die Schimpansen mehrere Stunden beobachten, ich hatte schon ein Krampf im Kiefer vor lauter Staunen. Ein Kindheitstraum hatte sich gerade für mich erfüllt.
Logik sucht man manchmal vergebens
Auf dem Rückweg aus dem Park hatten wir ähnliche Probleme: An der genau gleichen Stelle steckte an ein anderer Truck. Glücklicherweise waren die Baumaschinen noch vor Ort und konnten ihn innerhalb eines halben Tages befreien. Am übernächsten Tag befanden wir uns schon wieder auf der Hauptstrasse und tuckerten richtung Osten. Leon war ein wenig angeschlagen und blieb einige Tage im Hotel zurück. Unser nächstes Ziel war Yamoussoukro, die Hauptstadt des Landes.
Yamoussoukrou schien wie vor zehn Jahren aus dem Boden gestampft und dann links liegen gelassen. Sechsspurige Strassen durchziehen die Stadt, aber fast kein Verkehr und knietiefe Schlaglöcher. Ein Krokodilteich im Stadtpark. Und die grösste Kirche der Welt. Ja richtig gelesen! Die grösste Kirche der Welt steht in der Elfenbeinküste. Erst vor wenigen Jahren von einem ehemaligen Präsidenten “gespendet”, steht das riesige Ding mitten im Nirgendwo. Neben einem kleinen Putz- und Securitytrupp steht die Kirche verlassen. Säulen, Kuppeln und Statuen, alles wirkt künstlich und schon wieder kurz vor dem Zerfallen. Ein besseres Beispiel für schlecht eingesetzte Mittel kann man sich gar nicht vorstellen. Warum sollte man ein solch grössenwahnsinniges Bauwerk finanzieren, wenn Menschen im Land hungern und es an Bildung und Infrastruktur fehlt? Hier sucht man die Logik vergebens.
Wenn man in diesem Teil der Welt umherreist, investiert man für Alles viel Energie. Jedoch wird man für jede Anstrengung reichlich belohnt. In einem Moment steckt man in der Schlammgrube, im nächsten beobachtet man Menschenaffen im Urwald. Und manchmal stolpert man über Unglaubliches, dass man eigentlich gar nicht sehen will.
Wieder eine schöne Geschichte zum miterleben en ein bisschen mitfühlen. Dankeschön und verzeihe meine(n?) Deutsche Fehler.